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Tschetschenien: Wenn Menschenrechte dem Krieg zum Opfer fallen.

08. Feb 2000

Erklärung des Geschäftsführenden Vorstandes von Pax Christi zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 1999

Die russische Armee hat die Bevölkerung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny ultimativ aufgefordert, die Stadt bis zum kommenden Sonntag zu verlassen. Andernfalls würden alle, die danach in Grosny angetroffen werden, als Terroristen betrachtet und erschossen. Der schmutzige Krieg Rußlands gegen das abtrünnige Tschetschenien erfährt mit dieser Ankündigung eine neue schreckliche Steigerung. Die Bevölkerung von Grosny ist nicht mehr nur Geisel des Krieges wie bisher, sondern wird Adressat eines offen angekündigten Völkermordes. Angesichts der immer wieder beschworenen "Zivilisierung der Konflikte", die den bevorstehenden Jahrhundertwechsel kennzeichnen sollte, ist dies ein unerträglicher Skandal. Die russische Ankündigung ist Ausdruck eines menschenverachtenden Zynismus, dem die Völker Europas im Namen der Humanität und Menschenwürde unverzüglich widersprechen und unmißverständlich widerstehen müssen.

Pax Christi nimmt den internationalen "Tag der Menschenrechte" am 10. Dezember zum Anlaß, um das elementare Recht auf Leben für das tschetschenische Volk einzuklagen und Rußland aufzufordern, die Militäraktionen gegen wehrlose Zivilisten sofort einzustellen. Der Tschetschenien-Konflikt muß mit politischen Mitteln und durch eine aktive Vermittlungsrolle der Vereinten Nationen und der OSZE gelöst werden. Wir fordern die russische Regierung auf, die unterschiedslose Terrorisierung aller Tschetschenen zu unterlassen und den innenpolitischen Machtkampf in Rußland nicht länger auf den Schultern eines wehrlosen Volkes zu führen. Rußland braucht für sein weltpolitisches Gewicht als moderner Staat keinen militärischen "Sieg" in Tschetschenien, sondern eine Demokratisierung seiner öffentlichen Institutionen und das Vertrauen seiner Bevölkerung in seine Führung.

Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, ihre guten Beziehungen zu russischen Regierung zu nutzen und sich deutlicher als bisher für eine Beendigung aller Kriegshandlungen einzusetzen. Wir erwarten, daß die systematische Verletzung von elementaren Menschenrechten ein klarer und unterschiedslos praktizierter Anlaß für politische Einmischungen der deutschen und der gemeinsamen EU-Außenpolitik wird. Das sofortige Einfrieren von jeglichen Krediten an Rußland stellt nach unserer Auffassung das Minimum dessen dar, was an Sanktionen jetzt in Kraft gesetzt werden muß. Wir fordern die christlichen Kirchen in Deutschland auf, unverzüglich Kontakte zur Russischen Orthodoxen Kirche aufzunehmen und sie um ihren Einfluß bei der russischen Regierung zu bitten mit dem Ziel, einen drohenden Völkermord in Tschetschenien zu verhindern.

Der internationale "Tag der Menschenrechte" muß durch gemeinsame Anstrengungen der europäischen Politik, der internationalen Institutionen und aller zivilgesellschaftlichen Kräfte zu einem Wendepunkt im Krieg gegen das tschetschenische Volk werden - einem Wendepunkt hin zu einer friedlichen Zukunft für das tschetschenische Volk und die Völker Rußlands.

Bad Vilbel, den 9. Dezember 1999